Beobachtungen zur Beute-Laehmung bei Ton-Nest-bauenden Wespen der Familie Eumenidae.
Observations on Paralization of Prey Insects in Potter Wasps from Eumenidae family.
Observaciones sobre la paralizacion de insectos presos en avispas alfareras de la familia de los Eumenidae.
Zum Aufzucht ihres Nachwuchses fangen Eumeniden andere Insekten, zumeist Schmetterlingsraupen und verproviantieren mit den weitgehend bewegungslosen Koerpern ihrer Beutetiere Brutkammern, in denen anschliessend die Wespe ein Ei ablegt, bevor sie dann den Kammereingang des Nestes mit einer Moertelwand verschliesst. Waehrend des Zeitraumes des Jagens und Transportes mehrerer Beutetiere zur vorbereiteten Nestkammer verbleiben die bereits eingetragenen Schmetterlingsraupen dort in zur selbstaendigen Fortbewegung nicht faehigem Zustand. Grund hierfuer ist eine vermutete partielle Laehmung des Nervensystemes der Schmetterlingsraupe durch ein ueber den Stachel aus der Giftdruese der Wespe in den Larvenkoerper injiziertes Neurotoxin, das die Fortbewegungsfaehigkeit der Beutetiere soweit reduziert, das diese ueber einen laengeren Zeitraum in der Brutkammer als lebendige und frische Nahrungsquelle der heranwachsenden Wespenlarve dienen koennen.
Bei im Jahre 2002 durchgefuehrten Untersuchungen zum Nestbau von Eumenes (Brachymenes) wagnerianus wurde beobachtet, das die Einschraenkung der Fortbewegungsfaehigkeit von Beute-Schmetterlingsraupen aus einer bereits verschlossenen Nestkammer offensichtlich auch durch andere Parameter als einem von der Wespe in den Larvenkoerper injizierten Neurotoxin aufrechterhalten wird und desweiteren kurzfristig reversibel ist, wobei die externe Stimulation des bewegungseingeschraenkten Larvenkoerpers durch Beruehrung eine entscheidende Rolle spielt. Dies gibt zu der Vermutung Anlass, das nicht injizierte Neurotoxine sondern andere Faktoren die Bewegungsunfaehigkeit der Wespen-Beutetiere erzeugen und aufrechterhalten.
Diese Faktoren koennten unter Umstaenden in einer Kombination von mechanischen und akustischen Reizen bestehen, die bei Fang und Transport durch die Wespe auf die Larve einwirken. Denkbar ist dabei, das sowohl der Druck der Beisswerkzeuge und der Tarsen sowie die Koerpervibrationen und das Fluggeraeusch der Wespe neben dem Einstich des Stachels fuer den dann beginnenden Zustand der Bewegungslosigkeit der Beutetiere eine Rolle spielen. Die Beobachtung, das externe Stimulation des Larvenkoerpers die Bewegungsunfaehigkeit wieder aufheben kann, deutet darauf hin, das es sich bei dem Laehmungszustand um eine Art andauernde Schockstarre und nicht um eine neurotoxinbedingte Blockade der Nerven des Fortbewegungsapparates der Schmetterlingslarven handelt.
Einzel-Beobachtung zum Verhalten von Schmetterlingsraupen als Beute-Insekten von Eumeniden.
6-Kammer Ton-Nest mit folgender Kammerbelegung (v.l.n.r.)
3. Wespenlarve / 4.-6. Entwicklete Wespen kurz vor dem Ausschluepfen
Im Maerz 2002 wurde in einem Seitental des Valle de Aburra (Antioquia / Kolumbien) ein aus sechs Brutkammern zusammengesetztes Tonnest von Eumenes (Brachymenes) wagnerianus HYM.: EUMENIDAE) gefunden. (Siehe hierzu: Internetpublikation der Schriftenreihe Naturwissenschaften des CID Verlages http://www.eumeneswagnerianus.blogspot.com). Die zuletzt angelegte und verschlossene Kammer des Nestes beinhaltete 8 lebende Raupen einer nicht naeher bestimmten Schmetterlingsart. Trotz der nach der Abloesung des Nestes vom seinem Bauplatz geoeffneten Rueckwand verblieben saemtliche von der Wespe in die Brutkammer eingetragenen Raupen waehrend des Transportes zur weiteren Untersuchung und Beobachtung der Wespen-Larvalentwicklung in der Brutkammer. Die dicht aneinandergedraengten 8 Raupenkoerper zeigten sichtbare Koerperbewegungen in der Kammer, verliessen diese aber durch die ueber die ganze Laenge der Kammer geoeffnete Rueckwand nicht selbstaendig.
Zur genaueren Untersuchung der Schmetterlingslarven wurden diese zu einem spaeteren Zeitpunkt mittels Federstahlpinzette aus der Brutkammer entnommen.
Letztangelegte Brutkammer mit lebenden aber bewegungseingeschrankten Schmetterlingsraupen
Die 8 Tiere behielten danach weiterhin Koerperkontakt als zusammenhaengender Verband und fuehrten `schwingende` Bewegungen ihrer Vorder- und Hinterkoerper aus.
Nach der Auftrennung des Zusammenhaltes der Raupengruppe per Hand in einzelne Individuen begannen einzelne Raupen mit ersten Fortbewegungsversuchen. Nach kurzer Zeit gelang es einigen dieser Raupen den relativen Laehmungszustand zu ueberwinden. Diese Tiere begannen daraufhin mit immer zielgerichteter Fortbewegung ueber die Platte des Untersuchungstisches weg bis zu dessen Rand und fielen von dort zu Boden.
Die Tiere, die in diesem Betrachtungszeitraum nicht die vollstaendige Fortbewegungsfaehigkeit wiedererlangt hatten, wurden per Federstahlpinzette wieder in die Brutkammer des Tonnestes eingelegt. Kurze Zeit spaeter gelang es einigen der wieder in die Kammer gelegten Tiere sich selbstaendig aus dieser herauszubewegen, wobei allerdings das zuvor beobachtete Verhalten des zielstrebigen Wegwanderns vom Nest bzw. von der zusammenhaengenden Beutetiergruppe nicht erneut beobachtet wurde.
Ueber die laengerfristige Wiedererlangung der Bewegungsfaehigkeit auch dieser Tiere sind keine Beobachtungen registriert.
Interpretation
Da einzelne Tiere ihre vollstaendige Fortbewegungsfaehigkeit nach Koerperstimulation durch externe Beruehrung wiedererlangten, ist davon auszugehen, das nach dem Fang und Transport durch die Wespe bei den Raupen ein `Schockzustand mit nachfolgender Bewegungslosigkeit` eingetreten ist, der durch die Parameter `Druck der Nestkammerwand auf die Raupenkoerper` und `Beruehrung der Raupenkoerper untereinander` aufrechterhalten wird. Der Einfluss von Helligkeit durch das ungehindert durch die Nestkammer-Rueckwandoeffnung einfallende Tageslicht fuehrte nicht zur Ueberwindung der Schockstarre durch die Tiere.
Die Schockstarre kann durch die Tiere ueberwunden werden, wenn andere Beruehrungsreize als die nach Eintritt des Schockzustandes in der Nestkammer adaptierten Umgebungsfaktoren einen staerkeren Einfluss auf das Empfindungs-Nervensystem der gefangenen Tiere ausueben so dass dadurch die fuer die Schockstarre massgeblichen Blockaden im Empfindungs-Nervensystem ueberwunden werden.
Dipl. Biol. Peter Zanger
CID-Forschung
Private wissenschaftliche Forschungseinrichtung E.K.
31. Mai 2010